Strafverteidigung beim Vorwurf der fahrlässigen Tötung – Ratgeber von Rechtsanwalt Kämpf, München

Nachfolgend informiert der Münchner Rechtsanwalt Kämpf über den Straftatbestand der fahrlässigen Tötung und die diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragestellungen.
Wie verhalte ich mich im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung wegen fahrlässiger Tötung, besteht hier überhaupt die Verpflichtung bei der Polizei zu erscheinen? Wie gehe ich mit einer Anklageschrift oder einen Strafbefehl wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung? Welches Strafmaß erwartet mich?
Trotz fortschrittlicher Sicherheits-Technik in modernen Autos birgt der Straßenverkehr erhebliche Gefahren. Häufig wird nach einem tödlichen Verkehrsunfall ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet. Etwa 90 % aller fahrlässigen Tötungen werden Straßenverkehr begangen.

1. Sie haben eine Ladung zur polizeilichen Beschuldigtenvernehmung oder eine Anklageschrift erhalten? Wie verhalten Sie sich richtig?

Gegen Sie wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt? Sie haben deshalb eine Ladung der Polizei zur Beschuldigtenvernehmung erhalten? Oder liegt Ihnen bereits ein Strafbefehl oder eine Anklageschrift vor?
Dann sollten Sie sich schnellstmöglich von einem erfahrenen Strafverteidiger helfen lassen. Gerade im Falle eines Tötungsdelikts ist der psychische Druck für Sie und Ihr Umfeld erheblich. Auch der Umgang mit den Angehörigen des Getöteten gestaltet sich regelmäßig schwierig. Gleichwohl ist es unabdingbar zeitnah Akteneinsicht in die Ermittlungsakte zu erhalten. Zuvor sollten Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch und keine Angaben zur Sache machen.

Es besteht keine Verpflichtung auf eine Ladung der Polizei zur Beschuldigtenvernehmung zu erscheinen. Etwas anderes gilt bei Ladungen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts.

2. Wann ist der Straftatbestand der fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB erfüllt?

Als fahrlässiges Erfolgsdelikt setzt § 222 Strafgesetzbuch die Tötung eines Menschen voraus. Für die Tötung muss ein Tun oder Unterlassen kausal sein. Außerdem müssen eine (objektive) Sorgfaltspflichtverletzung, die objektive Voraussehbarkeit der Tötung sowie der sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang gegeben sein.
Die (zu verletzende) Sorgfaltspflicht kann sich aus einer allgemeinen Regel oder einer besonderen Vorschrift ergeben, beispielsweise aus rechtlichen Vorschriften, Berufs- oder Vertragspflichten sowie pflichtwidrigem oder gefährlichen Vorverhalten. Solche besonderen Sorgfaltspflichten treffen beispielsweise Veranstalter von Autorennen, Mitarbeiter einer Kfz-Werkstatt (bezüglich technischer Mängel nach Reparatur) und vor allen Dingen Kraftfahrzeugführer.

Exkurs: Welche Besonderheiten bestehen bei der fahrlässigen Tötung bei einem Verkehrsunfall im Straßenverkehr? Die vom einzelnen Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr zu beachtenden Sorgfaltspflichten ergeben sich aus den Vorschriften der StVO (Straßenverkehrsordnung) und der StVZO (Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung). Wird gegen diese verstoßen, indiziert dies die Verletzung von Sorgfaltspflichten und mithin die Fahrlässigkeit.

Der tatbestandliche Erfolg der fahrlässigen Tötung kann dem jeweils Handelnden nur bei objektiver Vorhersehbarkeit derselben zugerechnet werden. Dies setzt voraus, dass der konkrete Geschehensablauf nicht völlig außerhalb üblicher Lebenserfahrung (beispielsweise beim Versterben aufgrund eines ärztlichen Kunstfehlers nach Behandlung einer aus einem Verkehrsunfall rührenden Verletzung) liegt. Ein Kraftfahrer muss dabei aber auch auf unerwartete Vorgänge gefasst sein. Er hat zum einen mit Verkehrsteilnehmern zu rechnen, die sich selbst verkehrswidrig verhalten, und zum anderen bei Regen, Nebel, Schnee oder Eis besondere Sorgfalt walten zu lassen.

Zwischen der Tötung unter Sorgfaltspflichtverletzung muss der Pflichtwidrigkeitszusammenhang bestehen. Dieser scheidet aus, wenn die Tötung einem Dritten zuzurechnen ist, kein unerlaubtes Risiko geschaffen wurde oder das Opfer sich eigenverantwortlich selbst verletzt bzw. selbst gefährdet hat. Außerdem besteht der Pflichtwidrigkeitszusammenhang nicht, wenn der tatbestandliche Erfolg auch bei rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre. Ein Beispiel hierfür ist, wenn bei einem Verkehrsunfall unter Einfluss von Alkohol der Getötete den Unfall alleine verschuldet hat. Beachten Sie aber, dass die Rechtsprechung in einem solchen Fall von dem angetrunkenen Verkehrsteilnehmer erwartet, dass dieser seine Fahrweise an seine aufgrund der Alkoholisierung verminderte Reaktionsgeschwindigkeit anpasst und langsamer fährt.

Die Rechtsprechung hat zum Beispiel die fahrlässige Tötung nach § 222 Strafgesetzbuch angenommen bei Teilnahme an einem illegalen Motorradrennen, bei dem einer der Teilnehmer verstirbt, beim Überlassen einer tödlichen Ration eines Betäubungsmittels zur Injektion durch den später Verstorbenen oder beim Erteilen eines Fahrauftrags an den verunglückten Fahrer, der bekanntermaßen nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war.

3. Ist die fahrlässige Tötung auch durch Unterlassen möglich?

Eine fahrlässige Tötung kann auch durch Unterlassen begangen werden. Der tatbestandsmäßige Erfolg der Tötung muss im Falle des Unterlassens für den Täter vorhersehbar gewesen sein.
Nach der Rechtsprechung ist einem Arzt nach einem Kunstfehler das Versterben seines Patienten an eben diesem vorhersehbar. Weiter soll vorhersehbar sein, dass ein durch einen Messerstich Verletzter an einer Lungenembolie verstirbt.
Grobe Fahrfehler andere Verkehrsteilnehmer sind nicht vorhersehbar. Auch die Vorhersehbarkeit des Todeseintritts nach Infektion aufgrund der vorausgegangenen Verweigerung einer Tetanusimpfung durch den Verletzten mit einer Fleischwunde soll ausscheiden. Gleiches gilt, wenn ein Beteiligter eines Verkehrsunfalls mit einer Herz-Vorerkrankung aufgrund der Aufregung an einem Herzinfarkt verstirbt.

4. Welche Strafe ist für eine fahrlässiger Tötung vorgesehen?

Als Strafe sieht § 222 Strafgesetzbuch Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Zur Einschätzung des konkreten Strafmaßes ist regelmäßig die Kenntnis der Ermittlungsakte notwendig. Denn es kommt auf eine Vielzahl von Faktoren an. Eine Rolle spielen Geständnis, Vorstrafen und Nachtatverhalten (hier insbesondere Entschuldigung, eine Schadenswiedergutmachung im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs ist bei Tötungsdelikten schwierig bzw. nicht möglich).

Exkurs: Gibt es eine Besonderheit, wenn die fahrlässige Tötung unter Alkoholeinfluss oder unter der Wirkung von Betäubungsmitteln (Cannabis, Kokain, Heroin, MDMA, Amphetamin u.a.) im Straßenverkehr erfolgte? Im Hinblick auf die besonderen Gefahren von Alkohol und BtM im Straßenverkehr wird hier in der Regel eine Vollzugsstrafe, also eine Freiheitsstrafe die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ausgesprochen. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann das Gericht hiervon abweichen. Es kommt hier insbesondere auf dem Grad der Alkoholisierung, das Nachtatverhalten und das Vorleben (langjährige Fahrpraxis ohne Eintragung im Verkehrszentralregister) des Angeklagten an.

Strafverteidiger-Tipp: Schweigen Sie! Auch wenn es Ihnen aufgrund Ihrer bisherigen Lebenserfahrung ungewöhnlich erscheint, gar widerstrebt, sich zu den gegen Sie erhobenen Vorwürfen nicht (!) zu äußern, sich nicht zu rechtfertigen oder Stellung zu nehmen, sollten Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Sie befinden sich in einer emotionalen Ausnahmesituation und sollten schnellstmöglich die professionelle Hilfe eines erfahrenen Strafverteidigers hinzuziehen. Bitte merken Sie sich, dass Sie lediglich dazu verpflichtet sind, Angaben zu Ihrer Person (Name, Anschrift, Geburtsdatum und -ort) zu tätigen.

Quellennachweis Lichtbild: R_K_B by A. Dreher – www.pixelio.de