Wie verhalte ich mich beim Zugang eines Anhörungsbogens bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit richtig? Im nachfolgenden Artikel gibt der Münchener Rechtsanwalt Martin Kämpf Tipps und Hinweise zum Umgang mit dem Anhörungsbogen im Bußgeldverfahren. Rechtsanwalt Kämpf ist im Verkehrsrecht sowie im Strafrecht tätig.

Fast jeder Kraftfahrer kennt die Situation – es blitzt. Zu schnell, die rote Ampel übersehen? Wochen später flattert ein Anhörungsbogen über die Verkehrsordnungswidrigkeit ins Haus. Auf dem Anhörungsbogen ist der betroffene Verkehrsverstoß geschildert.
Häufig befindet sich auf dem Anhörungsbogen auch ein Foto von Fahrer und KFZ bei der Geschwindigkeitsübertretung oder dem Rotlichtverstoß. Außerdem werden die zu erwartenden Folgen der Verkehrsordnungswidrigkeit genannt: Geldbuße – Fahrverbot – Punkte in Flensburg. Weiterhin kann auf dem Anhörungsbogen angegeben werden, ob die Verkehrsordnungswidrigkeit zugegeben wird oder wer der geblitzte Fahrer ist.

Es empfiehlt sich – wie auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – dringend, den Grundsatz „weniger ist mehr“ zu beachten. Das bedeutet, dass Sie keine Angaben zur Sache machen sollten!

1. Sie sind selbst Betroffener im Bußgeldverfahren?

Dann haben Sie ein umfassendes Schweigerecht – niemand muss sich selbst belasten und so zu seiner Bestrafung bzw. hier zum Erlass eines Bußgeldbescheides beitragen. Ihr Schweigen darf Ihnen auch im Bußgeldverfahren nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Im Übrigen besteht keine Pflicht, den Anhörungsbogen zurückzusenden.
Lassen Sie sich anwaltlich beraten, nehmen Sie über Ihren im Verkehrsrecht tätigen Rechtsanwalt Akteneinsicht in die Bußgeldakte. Insbesondere bei der Messung von Geschwindigkeitsübertretungen besteht durchaus die Chance, dass die Messung nicht verwertbar ist, da ein Messfehler vorliegt. Solche Messfehler können aus einer fehlerhaften Bedienung der Messeinrichtung, technischen Problemen des Geräts, Fehlern bei der Wartung und Ähnlichem resultieren. Auch die Qualität der von dem Verkehrsverstoß angefertigten Fotos reicht manches Mal nicht für eine Verurteilung im Bußgeldverfahren aus.

2. Sie erhalten den Anhörungsbogen als Halter des geblitzten KFZs, waren aber nicht der Fahrer bei der festgestellten Geschwindigkeitsübertretung/Rotlichtverstoß?

Entgegen der landläufigen Meinung sind Sie auch hier nicht dazu verpflichtet, auf dem Anhörungsbogen Angaben zum Fahrer des KFZ bei dem Verkehrsverstoß zu tätigen. Dies gilt sowohl für den Fall, dass ein naher Angehöriger geblitzt wurde und für Sie ein Zeugnisverweigerungsrecht (z.B.: als Ehegatte (-in) oder Verlobte (-r)) besteht, als auch für den Fall, dass der Rotlichtverstoß oder die Geschwindigkeitsübertretung eines Dritten festgestellt wurde.
Bereits der Hinweis auf die Inanspruchnahme Ihres Zeugnisverweigerungsrechts bietet der Polizei neue Ermittlungsansätze. Durch die Ausübung Ihres Zeugnisverweigerungsrechts locken Sie die ermittelnden Polizeibeamten auf die Fährte Ihrer nahen Verwandten und vergeben Ihren Familienangehörigen die Chance, dass die kurze Verfolgungsverjährung bei der Verkehrsordnungswidrigkeit vor Erlass des Bußgeldbescheids eintritt. Der Rotlichtverstoß oder die Geschwindigkeitsübertretung verjähren nämlich vor Erlass des Bußgeldbescheids in drei Monaten!

Auf die Tatsache, dass Sie keine Angaben zur Sache auf dem Anhörungsbogen machen, kann die Bußgeldstelle bzw. die Polizei unterschiedlich reagieren. So erscheint eine Vorladung des Halters zur Zeugenvernehmung bei der Polizei ebenso möglich, wie ein Besuch des Halters durch die Polizei an seinem Wohnort oder der Arbeitsstelle. Vor Ort wird die Polizei versuchen, Familienangehörige, Nachbarn, Angestellte, Kollegen und andere zu dem Verkehrsverstoß zu befragen und so den Fahrer zu ermitteln. Häufig werden die Passfotos oder Personalausweisfotos angefordert und mit dem Blitzfoto verglichen. Auch die Androhung der Verpflichtung, ein Fahrtenbuch zu führen, kommt in Betracht, wenn der Halter auf dem Anhörungsbogen den geblitzten Fahrer nicht bekannt gibt.

Verteidigertipp: Insbesondere in Anbetracht der kurzen Verjährung von nur drei Monaten bis zum Erlass des Bußgeldbescheides (nach Erlass des Bußgeldbescheides sechs Monate) ist es unbedingt empfehlenswert , auf dem Anhörungsbogen keinerlei Angaben zur Identität des Fahrers des geblitzten Fahrzeugs bei der Geschwindigkeitsübertretung oder dem Rotlichtverstoß zu machen.
Daneben bestehen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten im Bußgeldverfahren eine Vielzahl weiterer Verteidigungsmöglichkeiten – unter anderem im Hinblick auf vorhandene Messfehler.

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