Cannabis auf Rezept – darf ich Auto fahren?
Die meisten Cannabiskonsumenten kennen die goldene Regel: wer kifft, fährt nicht! Wie aber ist die Rechtslage bei Fahrten nach Einnahme von medizinisch verordnetem Cannabis? Wird der Cannabispatienten einem gewöhnlichen Kiffer gleichgesetzt und muss sein Auto stehen lassen oder gelten hier abweichende Regelungen? Kann ein Patient, der ärztlich verordnet medizinisches Cannabis einnimmt, seinen Führerschein verlieren?
Seit März 2017 kann Cannabis bei bestimmten Erkrankungen – beispielsweise in der Schmerztherapie oder bei Patienten mit Hyperaktivitätssyndrom – als Medikament verschrieben werden. Fahrten unter Einfluss von THC ziehen üblicherweise empfindliche Konsequenzen nach sich. Bei Überschreitung des Grenzwerts von 1,0 Nanogramm pro Milliliter ist (zumindest) die Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a StVG verwirklicht, unter bestimmten Voraussetzungen kann es sogar zu einer Verurteilung wegen der Trunkenheit im Straßenverkehr gemäß § 316 StGB kommen. Dürfen Sie also als Cannabis-Patient Auto fahren?
Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a StVG – Ausnahme Medikamentenklausel
Wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug (Achtung: gilt nicht für Fahrradfahrer!) unter Einfluss eines der in der Anlage zum StVG genannten Betäubungsmittel führt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG. Tetrahydrocannabinol (kurz THC) ist dort als relevante Substanz aufgeführt. Die bußgeldrechtliche Folge ist beim Ersttäter die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von 500 €, eines einmonatigen Fahrverbots sowie die Eintragung zweier Punkte im Fahreignungsregister. Nach der sogenannten Medikamentenklausel in § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG besteht aber eine Ausnahme beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines im konkreten Krankheitsfall verordneten Medikaments. Dies privilegiert auch den Cannabispatienten. Nahm dieser das im Rahmen der Blutprobe festgestellte THC aufgrund eines medizinisch verordneten Cannabisrezepts ein, darf er am Straßenverkehr teilnehmen und dort ein Kraftfahrzeug führen (OLG Bamberg, Beschluss vom 2. Januar 2019, Aktenzeichen: 2 Ss OWi 1607/18).
Trunkenheit im Straßenverkehr bei Einnahme von medizinisch verordnetem Cannabis
Die Trunkenheitsfahrt unter Einfluss von THC wird beim Ersttäter mit einer Geldstrafe (üblicherweise unter der Eintragungsgrenze für das Führungszeugnis), einer mehrmonatigen Entziehung der Fahrerlaubnis sowie drei Punkte in Flensburg bestraft. Voraussetzung für die Trunkenheit im Straßenverkehr ist, dass der Fahrer eines Fahrzeugs zum einen mindestens 1,0 Nanogramm/Milliliter THC im Blut hat und zum anderen einen Fahrfehler begeht oder eine drogentypische Auffälligkeiten zeigt. ACHTUNG: Die Medikamentenklausel als Ausnahmeregelung für Cannabispatienten gilt nur im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeit. Ist die Leistungsfähigkeit nach dem Konsum von medizinisch verschriebenem THC dergestalt eingeschränkt, dass es zu Fahrfehlern oder drogentypischen Auffälligkeiten kommt, verwirklicht der Fahrer – gilt auch beim Fahrradfahrer – den Straftatbestand der Trunkenheit im Straßenverkehr.
Exkurs: Drogentypische Auffälligkeiten bzw. Ausfallerscheinungen werden seitens der Polizei bei der Durchführung sogenannter Koordinationstests (Finger-Finger-, Finger-Nase-, Einbeinstand-Test etc.) festgestellt. Häufig berichteten mir Mandanten, dass Ihnen die an der Verkehrskontrolle beteiligten Polizisten die Teilnahme an den Tests ans Herz legten, um sich zu entlasten. Das ist natürlich Quatsch. Nur bei demjenigen der sich testen lässt, können überhaupt Fehler festgestellt werden. Ich empfehle Ihnen aus diesem Grunde dringend (!), die Mitwirkung an den freiwilligen Koordinationstests zu verweigern.
Fahreignung bei medizinischem Cannabis – ärztliches Gutachten oder MPU
Abschließend stellt sich die Frage, ob der Cannabis-Patient mit fahrerlaubnisrechtlichen Problemen zu rechnen hat, nachdem er im Straßenverkehr mit THC auffällig wurde. Nach Auskunft der Bundesregierung soll Patienten, die medizinisches Cannabis per Rezept verschrieben bekommen, die Teilnahme am Straßenverkehr grundsätzlich erlaubt sein. Gemäß eines Merkblatts des Bundesverkehrsministeriums ist die Fahreignung lediglich dann ausgeschlossen, wenn die Einnahme des medizinischen THC das Leistungsvermögen unter das erforderliche Maß beeinträchtigt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Patient seitens des behandelnden Arztes auf eine stabile Dosierung eingestellt ist. Bis hier die richtige Dosierung gefunden ist, sollte eine Teilnahme am Straßenverkehr nicht stattfinden. Im Zweifelsfall ist hier seitens der Fahrerlaubnisbehörde ein ärztliches Gutachten anzuordnen.
Bitte beachten Sie, dass der zusätzliche Konsum illegal beschafften Cannabis zum Ausschluss der Fahreignung führt! Fragen nach Ihrem Konsumverhalten (wann, wie oft, welche Quelle – außer der Apotheke usw.) durch die die Verkehrskontrolle durchführenden Polizeibeamten müssen und sollen Sie deshalb nicht beantworten.
Tipp vom Strafverteidiger: Auch wenn Ihnen Cannabis per Rezept verordnet wurde, können die vorgenannten Probleme im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr entstehen. Ich empfehle Ihnen dringend, keine Angaben zur Sache zu machen und keinesfalls an den seitens der Polizei angebotenen Koordinationstests mitzuwirken. Lassen Sie sich zeitnah anwaltlich beraten, gerne stehe ich Ihnen diesbezüglich zur Verfügung!
Quellennachweis: Petra Bork, A.Dreher – pixelio.de