Fahrerflucht – Rechtsanwalt Kämpf informiert: Was sind die Voraussetzungen? Welche Strafe droht? Wie verhalte ich mich bei einer Beschuldigtenvernehmung wegen des Verdachts der Unfallflucht richtig?

Eine kleine Unaufmerksamkeit beim Ausparken, der so genannte Parkrempler, das Berühren des Außenspiegels eines anderen Fahrzeugs oder gar ein Streifschaden, können erhebliche strafrechtliche Probleme mit sich bringen. Es droht ein Ermittlungsverfahren wegen Fahrerflucht bzw. treffender einer Unfallflucht.
Geschütztes Rechtsgut der Unfallflucht ist nicht etwa die Sicherung der Strafverfolgung (etwa bei einer vorliegenden Trunkenheit eines Unfallbeteiligten), sondern vielmehr ausschließlich das zivilrechtliche Interesse an der Durchsetzung etwaiger Schadensersatzansprüche.

1. Strafe bei Fahrerflucht – was droht bei  Verurteilung?

§ 142 StGB sieht als Strafe Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Neben Geldstrafe und Freiheitsstrafe ist regelmäßig mit einem Fahrverbot (ein bis drei Monate) und Punkt im Fahreignungsregister zu rechnen.
Wird bei dem der Fahrerflucht zugrunde liegenden Unfall ein Mensch getötet oder ein bedeutender Sachschaden verursacht, wird anstatt des Fahrverbots die Entziehung der Fahrerlaubnis (sechs Monate bis zu fünf Jahre) angeordnet. Ein bedeutender Sachschaden bei der Unfallflucht liegt ab etwa EUR 1300,- vor. Die Strafe für die Fahrerflucht kann gemäß § 142 Abs. 4 StGB gemildert werden, wenn der Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs (Parkunfall) stattfand, die Feststellungen zur Unfallbeteiligung binnen 24 Stunden nach dem Verkehrsunfall freiwillig ermöglicht werden und es sich nicht um einen bedeutenden Sachschaden handelt.

Bitte beachten Sie, dass eine abschließende Einschätzung des im Falle einer Verurteilung drohenden Strafmaßes ohne genaue Sachverhaltskenntnis nicht möglich ist. Hierfür ist die Akteneinsicht in die Ermittlungsakte notwendig. Die im einzelnen zu erwartende Strafe richtet sich nach einer Vielzahl von Faktoren. In Betracht kommen die Höhe des Schadens, etwaige (einschlägige) Vorstrafen, Eintragungen im Verkehrszentralregister (Punkte in Flensburg) sowie das Nachtatverhalten (zum Beispiel Geständnis, Schadenswiedergutmachung).

2. Wie verhalte ich mich bei Ladung zur Beschuldigtenvernehmung, Strafbefehl oder Anklageschrift wegen Unfallflucht?

Als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren oder späterer Angeklagter im Strafverfahren müssen Sie sich nicht selbst belasten. Sie haben ein Schweigerecht, machen Sie davon Gebrauch. Es besteht lediglich die Verpflichtung, Angaben zu Ihrer Person zu tätigen. Diese sind Name, Anschrift, Geburtsdatum- und ort.
Verteidigungsansätze bei der Strafverteidigung wegen des Verdachts der Fahrerflucht können beispielsweise die Identifizierung des Fahrers zum Unfallzeitpunkt durch Zeugen und im Nachgang die Bermerkbarkeit des Unfalls durch den Fahrer sein. Ich empfehle Ihnen deshalb, keine Angaben zur Person des Fahrers zu machen. Die Identifizierung des Fahrers bereitet Zeugen – insbesondere nach einem gewissen Zeitablauf – erhebliche Probleme, wenn sie überhaupt möglich ist. Falls Sie selbst der Fahrer zum Unfallzeitpunkt waren, sollten Sie auch keine Angaben dazu machen, ob Sie den Unfall wahrgenommen haben.

3. Wann ist der Straftatbestand der Fahrerflucht nach § 142 StGB erfüllt?

Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort setzt voraus, dass sich einer der Unfallbeteiligten nach einem Straßenverkehrsunfall entfernt, ohne zuvor die Feststellung seiner Personalien, seines Fahrzeugs und seiner Unfallbeteiligung selbst zu ermöglichen oder eine angemessene Zeit gewartet zu haben.
a) Ein Unfall ist ein plötzliches, zumindest von einem Beteiligten ungewolltes Ereignis, das in ursächlichem Zusammenhang mit dem öffentlichen Straßenverkehr und seinen Gefahren steht. Auch bei einer vorsätzlichen Beschädigung kann der Unfall vom betroffenen Unfallgegner ungewollt sein und ein Unfall im Sinne einer Fahrerflucht vorliegen.
b) Weiterhin muss bei dem Verkehrsunfall ein Schaden entstanden sein. Die Wertgrenze für einen im Rahmen der Unfallflucht relevanten Schaden sieht die Rechtsprechung heute bei etwa 25,- EUR.
c) Sodann muss ein fremdes Feststellungsinteresse gegeben sein. Es muss also ein fremdes KFZ beschädigt sein. Ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort scheidet demnach aus, wenn lediglich das eigene Fahrzeug beschädigt ist.

Exkurs: Bitte beachten Sie, dass auch für den Fahrer eines fremden KFZs – also beispielsweise eines Mietwagens, Firmenwagens oder Leihautos – ein fremdes Feststellungsinteresse im Sinne einer Fahrerflucht gegeben ist. Bei einem Leasingfahrzeug gilt eine Besonderheit: je nach Ausgestaltung des Leasingvertrags kann die Fahrerflucht gegeben sein, wenn der Leasingnehmer das Leasingauto beschädigt. Eine Fahrerflucht liegt danach nicht vor, wenn die Gefahr der Beschädigung, des Verlustes, des Untergangs des Leasingfahrzeugs per Leasingvertrag auf den Leasingnehmer übertragen ist.

d) Unfallbeteiligter im Sinne einer Fahrerflucht ist derjenige, der bei einem Verkehrsunfall als Verkehrsteilnehmer anwesend ist oder sonst auf den Verkehr einwirkt. Dabei kommt es weder auf die Verkehrswidrigkeit noch auf das Verschulden an.
Wird der Unfall nur mittelbar verursacht, so ist Unfallbeteiligter im Sinne einer Fahrerflucht nur der sich verkehrswidrig verhaltende Verkehrsteilnehmer.
e) Der Beteiligte eines Verkehrsunfalls hat eine sogenannte Vorstellungspflicht. Das bedeutet, dass er sich als Beteiligter des Unfalls zu erkennen geben muss. Bitte beachten Sie aber unbedingt, dass Sie im Rahmen Ihrer Vorstellungspflicht keine Angaben zum Unfallhergang machen müssen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, sich selbst als Verursacher des Verkehrsunfalls zu belasten. Bei einem Parkunfall ist es nicht ausreichend, eine Visitenkarte oder einen Zettel an den Scheibenwischer des Unfallgegners zu klemmen!
f) Weitere Voraussetzung der Fahrerflucht ist das Sichentfernen. Bereits eine gewisse räumliche Trennung vom Ort des Unfalls reicht, wenn der Unfallbeteiligte hierdurch seiner Vorstellungspflicht nicht mehr nachkommen kann.
Zur Erfüllung einer Unfallflucht muss das Sichentfernen mit Willen des Unfallbeteiligten geschehen. Mithin ist die Fahrerflucht nicht gegeben, wenn der Unfallbeteiligte aufgrund seiner Verletzungen ins Krankenhaus abtransportiert wird.
g) Den Beteiligten eines Unfalls trifft die sogenannte Wartepflicht. Die jeweilige Dauer der Wartepflicht richtet sich nach dem Einzelfall, es kommt auf Art und Schwere des verursachten Schadens, die Witterung und die Verkehrsdichte an. Nach der Rechtsprechung hat der Unfallbeteiligte solange am Unfallort zu warten, wie mit dem Eintreffen einer feststellungsbereiten Personen zu rechnen ist. Bei Bagatellschäden kann die Wartezeit zwischen zehn und 30 Minuten liegen. Ist eine andere Person verletzt oder gar deren Tod eingetreten, wird in aller Regel mindestens eine Stunde zu warten sein.
h) Entfernt sich der Unfallbeteiligte nach Ablauf der Wartefrist oder sonst berechtigt oder entschuldigt, so hat er die erforderlichen Feststellungen unverzüglich (also ohne schuldhaftes Zögern) zu ermöglichen. Wie bei der Wartepflicht richtet sich auch die Unverzüglichkeit nach dem jeweiligen Einzelfall. Bei Personenschäden oder hohen Sachschäden ist schnelleres Handeln erforderlich, als bei Bagatellschäden.

Tipp vom Strafverteidiger: Als Beschuldigter einer Fahrerflucht haben Sie ein umfassendes Schweigerecht. Dieses gilt für das gesamte Ermittlungs- und Strafverfahren und bedeutet, dass sie keinerlei Angaben zur Sache machen müssen. Sie sollten insbesondere keine Angaben zur Identität des Fahrers machen!
Denn häufig fällt den anderen Unfallbeteiligten oder Zeugen die Identifizierung/das Wiedererkennen des Fahrers, der die Unfallflucht begangen hat, schwer.

Quellennachweis Lichtbild: Falk Jaquart – www.pixelio.de