Sie waren Kunde bzw. Mitglied auf der Plattform crimenetwork und haben eine Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung von der Polizei erhalten? Bei Ihnen fand wegen Bestellungen auf crimenetwork.biz eine Hausdurchsuchung statt?

Nachfolgend erklärt Ihnen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Martin Kämpf, München, Wissenswertes rund um Ermittlungsverfahren, die ihren Ursprung auf crimenetwork haben, und wie Sie sich in Ihrem Ermittlungsverfahren bei polizeilicher Beschuldigtenvernehmung oder Hausdurchsuchung verhalten sollen und was Ihre Rechte sind.

Bereits im Mai 2016 war die Seite crimenetwork.biz kurzzeitig offline. Bereits damals gab es Gerüchte über die Schließung des Forums durch die Polizei.

Exkurs: Bei crimenetwork.biz soll es sich um das (bislang) größte deutschsprachige Untergrundforum handeln. Die Seite war sowohl über das offene Internet als auch über das darknet (mittels Tor-Browser) zu erreichen. Auf der Seite waren mehrere 1000 Nutzer registriert. Es existierte ein Forum mit etwa 200.000 Threads und mehreren Millionen Posts. Daneben war es eine Handelsplattorm für illegale Waren (beispielsweise Drogen, Waffen, Falschgeld etc.) und Dienstleistungen –  so konnten Kundendaten sogenannter gephishter Packstationen, Kreditkartendaten u.a. erworben werden.

Wie ist der Stand der Ermittlungen bei crimenetwork.biz? Konnten Kundendaten der Besteller festgestellt werden?

Laut Pressemitteilung des BKA fanden am 7. März 2017 verschiedene Ermittlungsmaßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, Frankfurt am Main und Koblenz, verschiedener Staatsanwaltschaften sowie Landeskriminalämtern gegen die elf mutmaßlichen Administratoren des Forums statt. Es soll sich um die Führungsebene der Seite handeln. Im gesamten Bundesgebiet führten 1000 Polizeibeamte Hausdurchsuchungen in über 120 Wohnungen und Geschäftsräumen durch. Den Administratoren wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Gegen die Nutzer des Forums besteht der Verdacht des Betruges, Computerbetrugs, der Datenhehlerei und Geldwäsche sowie des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, Arzneimitteln und Waffen. Die Ermittlungsbehörden stellten bei den Durchsuchungen verschiedene Datenträger, Festplatten, Handys, Betäubungsmittel, Waffen sowie Bitcoins sicher. Zwei Personen wurden festgenommen.

Im Vorfeld der Aktion war es dem BKA offenbar gelungen zuvor sichergestellte Datenbanken auszuwerten. Das BKA wertete Millionen Postings und Chat-Nachrichten von etwa 260 Usern von crimenetwork.biz aus. Bislang konnten 153 „Mitglieder“ der Plattform identifiziert werden.

Was haben Sie als ehemaliges Mitglied oder als Besteller bei crimenetwork zu erwarten?

Aufgrund meiner Erfahrungen mit Folgeermittlungserfahren nach dem Auffliegen größerer Darknet-Betäubungsmittelhändler, wie beispielsweise shinyflakes oder chemicallove, haben Sie als ehemaliger Kunde bzw. Mitglied der Plattform crimenetwork zumindest mit einer Ladung zur polizeilichen Beschuldigtenvernehmung zu rechnen. Abhängig von der Art der Bestellungen (beispielsweise bei Waffen oder bestimmten Hackertools) oder je nach Menge der bestellten Betäubungsmittel werden gerade in Bayern auch noch viele Monate nach dem Zeitpunkt der letzten Bestellung Hausdurchsuchungen durchgeführt. In schwerwiegenden Fällen ist auch mit Festnahmen zu rechnen. Mit zunehmender Dauer der Verfahren ist auch davon auszugehen, dass den Ermittlungsbehörden weitere Kundendaten, mit der Folge der Einleitung weiterer Ermittlungsverfahren gegen diese Personen, bekannt werden.

Als Besteller oder zumindest Adressat einer oder mehrerer Bestellungen wird in der Regel ein Ermittlungsverfahren gegen Ihre Person eingeleitet werden. Solche sind vorstellbar wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Erwerb, Handeltreiben, möglicherweise auch in nicht geringer Menge), des Betrugs, Computerbetrugs, Verstößen gegen das Waffengesetz etc..

Was tun bei Hausdurchsuchung oder Beschuldigtenvernehmung in einem crimenetwork- Ermittlungsverfahren?

Als Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens haben Sie verschiedene Rechte gegenüber den Ermittlungsbehörden. Ihr wichtigstes Recht ist hier sicherlich Ihr Schweigerecht. Daneben dürfen Sie in jeder Lage des Verfahrens, also auch bereits zu Beginn des Ermittlungsverfahrens, einen Rechtsanwalt hinzuziehen und ihn mit Ihrer Strafverteidigung betrauen.

Ich empfehle Ihnen deshalb dringend, Ihr Schweigerecht auszuüben und keine Angaben zur Sache zu machen. Sie müssen sich nicht selbst belasten. Sie sind ausschließlich dazu verpflichtet, Ihre Personalien (Name, Anschrift, Geburtstag und -datum) anzugeben. In der Regel verbessern Sie Ihre Verteidigungschancen erheblich, indem Sie zur Sache schweigen. Für die meisten Beschuldigten stellt sowohl Beschuldigtenvernehmung als auch die Teilnahme an einer Hausdurchsuchung eine nicht alltägliche und mithin stressige Ausnahmesituation dar. In den meisten Fällen überblickt der von der Ermittlungsmaßnahme betroffene Beschuldigte in diesem Moment nicht die Tragweite seiner Angaben.

Nach was sucht die Polizei bei einer Hausdurchsuchung?

Erfahrungsgemäß werden bei Hausdurchsuchungen wegen Bestellungen im Darknet vordergründig die bestellten Waren oder Reste davon – beispielsweise Betäubungsmittel, Waffen etc. – gesucht.

Vordergründig deshalb, weil gerade im Betäubungsmittelbereich ein Auffinden der Betäubungsmittel selbst in vielen Fällen bereits aufgrund des zwischen dem Zeitpunkt der Bestellung und der Hausdurchsuchung eingetretenen Zeitablaufs nahezu ausgeschlossen bzw. praxisfern ist. Gesucht werden deshalb auch Gegenstände, die im Zusammenhang mit den Bestellungen stehen. Bei Betäubungsmittel-Ermittlungsverfahren sind das solche Sachen, die für den Betäubungsmittelkonsum (Bong, Crusher, Grinder, Longpapers, Schnupfröhrchen, Spritzen o.ä.) oder im Betäubungsmittelhandel (Feinwaage, Druckverschlusstütchen, Vakuumiergeräte usw.) gebraucht werden. Regelmäßig werden auch Datenträger und Mobiltelefone sichergestellt, um einerseits die einzelnen Bestellvorgänge oder die Weitergabe mittels E-Mails, Chats und ähnlichem nachvollziehen/beweisen zu können.

Muss ich gegenüber der Polizei die Verschlüsselung meines Computers öffnen bzw. den Schlüssel offenbaren?

Sollte Ihr Rechner oder ein sonstiger bei Ihnen sichergestellter Datenträger verschlüsselt sein, sind Sie nicht dazu verpflichtet, den Schlüssel bekanntzugeben. Wie bereits zuvor ausgeführt müssen Sie sich nicht selbst belasten. Bitte beachten Sie, dass bei Darknet-Bestellungen, insbesondere bei Betäubungsmittelkäufen, der Tatnachweis auch durch die Auswertung Ihrer Datenträger im Hinblick auf die einzelnen Bestellvorgänge, deren Bezahlungen und etwaige Weitergaben erfolgt. Ohne diese Infos wird ein Tatnachweis allenfalls schwer zu führen sein. Dies liegt zum einen an der Verwendung von verkäuferseitigen Verschlüsselungsmechanismen als auch an der Bezahlung mit Bitcoins.  Bei Verwendung eines entsprechend langen Schlüssels wird es der Polizei regelmäßig kaum bzw. nicht möglich sein, die Daten auf den bei Ihnen beschlagnahmten Datenträgern auszulesen. Gegenteilige Auskünfte der Ermittlungspersonen bei Durchsuchungen stellen regelmäßig eine Lüge eine sog. „kriminalistische List“ dar, die Sie zur Herausgabe des Schlüssels bringen soll, um so doch an Ihre Daten zu kommen.

Tipp vom Fachanwalt für Strafrecht: Schweigen Sie! Wie bereits zuvor ausführlich dargelegt ist Ihr Schweigerecht ein wesentliches Mittel, um Ihre Verteidigungschancen optimal zu wahren bzw. zu erhöhen. Machen Sie davon Gebrauch. In der Regel zahlen sich früher Angaben zur Sache nicht zu Ihren Gunsten aus. Zunächst sollten Sie Ruhe bewahren und einen Rechtsanwalt mit Ihrer Strafverteidigung beauftragen. Über diesen können Sie zunächst Akteneinsicht in die Ermittlungsakte nehmen.  Im Anschluss können Sie gemeinsam mit Ihrem Anwalt die weitere Vorgehensweise/Verteidigungsstrategie festlegen.

Quellennachweis: Andreas Bender und Falk Jaquart – pixelio.de