Aufgrund der Gefahr einer Fehlbestimmung des untersuchten Betäubungsmittels ist der ESA-Schnelltest nicht zum gerichtlichen Nachweis eines Verstoßes gegen das BtMG (hier: vorsätzlicher unerlaubter Besitz von Kokain) geeignet. Bei diesem handelt es sich nicht um ein wissenschaftlich abgesichertes und in der Praxis als zuverlässig anerkanntes Standardtestverfahren.
Der Münchner Rechtsanwalt Martin Kämpf, auch Fachanwalt für Strafrecht, informiert Sie über die Rechtslage anhand eines Beschlusses des OLG Celle vom 25. Juni 2014 (Aktenzeichen: 32 Ss 94/14).
Bei Sicherstellung von Betäubungsmittel im Strafverfahren ist die Art der Substanz sowie der Wirkstoffgehalt gutachterlich festzustellen. Die Untersuchung des BtM unter Verwendung eines ESA-Schnelltests im Ermittlungsverfahren durch die Polizei ist hierzu nicht geeignet.
In dem zugrunde liegenden Strafverfahren verurteilte das Amtsgericht Hannover den Angeklagten wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln, nämlich Kokain, zu einer Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte zunächst Berufung ein, die das Landgericht als unbegründet verwarf. Das Landgericht schätzte den Wirkstoffgehalt des sichergestellten Kokains auf nicht unter 30 Prozent. Im Rahmen der Urteilsgründe führte das Landgericht hierzu aus, der Wirkstoffgehalt stehe aufgrund der schlagartig auftretenden intensiven Blauverfärbung des durch die Polizei durchgeführten Schnelltests fest.
Dieses Urteil hob das OLG auf die Revision des Angeklagten mit der Begründung auf, dass es sich bei dem ESA-Schnelltest nicht um ein in der Praxis als zuverlässig anerkanntes, standardisiertes Testverfahren handle. Im Rahmen der neuen Verhandlung sei ein Sachverständiger hinzuzuziehen. Durch diesen sei die Frage zu klären, ob aufgrund des Reaktionsverlaufs des Schnelltests Schlüsse hinsichtlich des Wirkstoffgehalts des untersuchten Betäubungsmittels möglich sind. Im Zweifelsfalle sei das sichergestellte Kokain gutachterlich zu untersuchen.
Auch andere Obergerichte haben sich bereits in der Vergangenheit mit der Zuverlässigkeit des ESA-Schnelltests bei der Bestimmung der untersuchten Betäubungsmittel auseinandergesetzt.
Das OLG Thüringen (Beschluss vom 30. August 2005, Aktenzeichen: 1 Ss 56/05) hielt den ESA-Schnelltest aufgrund der Gefahr der Fehlbestimmung für nicht geeignet, den Besitz von Betäubungsmitteln (hier: Haschisch) gerichtlich nachzuweisen. Da im Ermittlungsverfahren eine Sicherstellung des Haschisch erfolgte, sei die genaue Bestimmung des Wirkstoffgehalts geboten. Der Wirkstoffgehalt sei schließlich für die Bestimmung des Strafmaßes von Bedeutung.
Das OLG Braunschweig (Beschluss vom 28. September 2011, Aktenzeichen Ss 44/11) entschied mit ähnlicher Begründung, dass die landgerichtliche Verurteilung eines Angeklagten wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Kokain aufzuheben sei. Eine hier notwendige Untersuchung des Wirkstoffgehalts des sichergestellten Kokains unterblieb. Der Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels sei aber zu Bestimmung des Schuldumfangs von wesentlicher Bedeutung.
Im Zusammenhang mit dem unerlaubten Besitz von Heroin setzen sich das OLG Hamm bereits 1999 mit dem ESA-Schnelltest auseinander (OLG Hamm, Beschluss vom 4. März 1999, Aktenzeichen: 5 Ss 136/99) und hob das angegriffene Urteil eines Landgerichts auf. Im Ermittlungsverfahren untersuchten die Polizeibeamten das Heroin mit dem Schnelltest. Aufgrund dessen Ergebnis und einer Sichtkontrolle stellte die Polizei die Betäubungsmitteleigenschaft fest. Beides hielt das OLG Hamm für nicht geeignet, um eine Verurteilung darauf zu stützen.
Was sind die Vorteile/Konsequenzen der Rechtsprechung für Ihr Betäubungsmittel-Strafverfahren?
Möglicherweise kann der durch die verspätete Feststellung des Wirkstoffgehalts eingetretene Zeitablauf zwischen Beginn des Ermittlungsverfahrens und der (rechtskräftigen) Verurteilung für Sie Vorteile mit sich bringen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Sie die Zeit nutzen, um eine Drogentherapie zu absolvieren oder um schlicht mittels Urin-oder Haartests Ihre Abstinenz nachzuweisen. Auch ist eine überlange Verfahrensdauer im Strafmaß zu Ihren Gunsten zu werten.
Tipp vom Strafverteidiger: Als Beschuldigter eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens wegen des Besitzes oder des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sollten Sie immer den Grundsatz beachten: Schweigen ist Gold! Sie haben ein umfassendes Schweigerecht. Ich empfehle Ihnen, von diesem beharrlich (!) Gebrauch zu machen, um Ihre Verteidigungschancen optimal zu wahren.
Quellennachweis: derateru – pixelio.de