Verbotenes Kraftfahrzeugrennen bei Polizeiflucht

Wenn Sie an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr teilnehmen, können Sie sich gemäß § 315d StGB des verbotenen Kraftfahrzeugrennens schuldig machen. Auch Fluchtfahrten vor der Polizei – die sog. Polizeiflucht – können unter diesen Straftatbestand fallen. In diesem Zusammenhang stellen sich verschiedene Fragen: Wie läuft ein Ermittlungsverfahren ab? Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich eine Ladung zur Beschuldigtenvernehmung, einen Strafbefehl oder eine Anklageschrift erhalten habe? Welche Strafe ist wegen Polizeiflucht zu erwarten und von welchen Faktoren hängt die Höhe der Strafe ab?

Wann liegt grundsätzlich ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen nach § 315d StGB vor?

Unter den Straftatbestand fallen grundsätzlich drei Alternativen:

  1. Planung, Organisation und Durchführung eines Kraftfahrzeugrennens – die eigene Teilnahme als „Rennfahrer“ ist nicht erforderlich,
  2. Teilnahme als Kraftfahrzeugführer an einem Rennen und
  3. das sogenannte Einzelrennen – die umstrittenste Variante des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Laut zwischenzeitlicher Rechtsprechung des BGH stellt die Polizeiflucht ein Einzelrennen im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB dar. Das BVerG hat mittlerweile die Verfassungsmäßigkeit des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB bestätigt. Danach genügt der Straftatbestand des verbotenen Einzelrennens dem Bestimmtheitsgebot.

unerlaubtes KraftfahrzeugrennenWas versteht man unter einem Einzelrennen?

Dafür müssen die Voraussetzungen des § 315d Abs. 1 Alt. 3 StGB parallel erfüllt sein:

  1. Sie müssen mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren sein sowie
  2. sich hierbei grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt und
  3. bezüglich des Erreichens der höchstmöglichen Geschwindigkeit vorsätzlich gehandelt haben.

Wann liegt eine Polizeiflucht bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei im Sinne eines verbotenen Einzelrennens gem. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vor?

Sie werden im Straßenverkehr von der Polizei angehalten. Anstatt zu stoppen, geben Sie Gas und versuchen wegzufahren. Damit Ihre Flucht vor der Polizei als verbotenes Einzelrennen im Sinne des § 315d StGB gewertet werden kann, müssen verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Nach einem Beschluss des BGH vom 29.04.2021 (Aktenzeichen: 4 StR 165/20) wird der Straftatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB objektiv durch ein Fortbewegen mit nicht angepasster Geschwindigkeit erfüllt, der sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls als grob verkehrswidrig und rücksichtslos darstellt. Dabei kann sich die grobe Verkehrswidrigkeit bereits aus der besonderen Massivität der Geschwindigkeitsüberschreitung oder aus anderweitigen Verkehrsverstößen ergeben, die mit der überhöhten Geschwindigkeit zusammenhängen. Subjektiv soll es in den Polizeifluchtfällen nicht auf den Wettbewerbscharakter – schnellste Runde, schnellste Beschleunigung, schnellste Strecke u.a. – ankommen. Vielmehr soll es nach Einschätzung des Bundesgerichtshofs ausreichen, dass der Fahrer im Sinne einer überschießenden Innentendenz für eine erfolgreiche Flucht vor der Polizei beabsichtigt, eine nicht unerhebliche Wegstrecke mit maximaler Geschwindigkeit unter den konkreten situativen Gegebenheiten ‒ wie Motorisierung, Verkehrslage, Streckenverlauf, Witterungs- und Sichtverhältnisse etc. ‒ (BGH, Beschluss vom 17.02.2021 – 4 StR 225/20) zurückzulegen. Der bloße Rückschluss von der Tatsache der Polizeiflucht auf die Absicht, die Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, ist dabei unzulässig.

Zusammengefasst muss also Folgendes vorliegen, damit die Polizeiflucht zum verbotenen Kraftfahrzeugrennen wird:

  • erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (eine Geschwindigkeitsüberschreitung von lediglich 10 oder 20 km/h reicht nicht),
  • grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fortbewegung, z.B. Überfahren roter Ampeln, Befahren von Fußgängerzonen, Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch zahlreiche Spurwechsel, Bremsmanöver und Beinahekollisionen etc., die massive Geschwindigkeitsüberschreitung alleine (!) kann hierfür bereits ausreichend sein und
  • die Absicht, über eine nicht unerhebliche Wegstrecke die mögliche Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, um das Fluchtziel erfolgreich zu erreichen.

Wie läuft ein Ermittlungsverfahren wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens bzw. Einzelrennens?

Abhängig vom „Erfolg“ Ihrer Fluchtfahrt wurden Sie alternativ vor Ort angehalten oder später als in Frage kommender Fahrer ermittelt. In der Folge sollen Sie als Beschuldigter vernommen werden. Häufig wird zunächst der Fahrzeughalter ermittelt und seitens der Polizei versucht, diesen auf rechtswidrige Weise als Zeuge zu vernehmen.  Dies dürfte in der Mehrzahl der Fälle grob falsch sein, da die Haltereigenschaft die Beschuldigteneigenschaft derart aufdrängt, dass ausschließlich eine Vernehmung als Beschuldigter in Betracht kommt.

Schweigen ist Gold! So es zu einer Beschuldigtenvernehmung kommt, sollten Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch und keine Angaben zur Sache machen. Insbesondere für den Fall Ihrer erfolgreichen Fluchtfahrt sollten Sie unter keinen Umständen Angaben zur Fahrereigenschaft tätigen. Hierzu sind Sie auch nicht verpflichtet! Sie müssen lediglich Ihren Namen, Anschrift, Geburtsdatum und Geburtsort offenbaren.

Sie sind im Übrigen nicht dazu verpflichtet, der Ladung zu Beschuldigtenvernehmung Folge zu leisten. Anstatt dessen empfehle ich Ihnen zeitnah einen spezialisierten Strafverteidiger hinzuzuziehen. Gerne stehe auch ich Ihnen diesbezüglich zu Verfügung. Reden Sie nicht mit der Polizei, sprechen Sie mit mir!

Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen geht die Ermittlungsakte zur Staatsanwaltschaft. Diese entscheidet, ob noch weitere Ermittlungen nötig sind oder wie das Ermittlungsverfahren zu beenden ist. Alternativ kann die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellen (z.B. mangels hinreichenden Tatverdachts, falls die Fluchtfahrt nicht nachgewiesen werden kann) oder einen Strafbefehl oder den Erlass einer Anklageschrift beantragen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um einen Anwalt einzuschalten?

Je früher Sie einen Strafverteidiger mit der Wahrnehmung Ihrer Interessen beauftragen, desto früher kann dieser steuernd eingreifen. Im Übrigen ist es für viele Bürger sehr belastend, wenn sie keinen Führerschein mehr haben. Es macht daher Sinn, sich schnell professionelle Unterstützung zu holen. Spätestens dann, wenn Sie als Beschuldigter vernommen wurden bzw. eine Ladung zur Beschuldigtenvernehmung erhalten haben, sollten Sie sich an einen im Strafrecht tätigen Rechtsanwalt wenden.

Wie verhalte ich im Falle eines Strafbefehls oder einer Anklageschrift wegen eines Autorennens nach § 315d StGB?

Spätestens dann, wenn Sie einen Strafbefehl oder eine Anklageschrift erhalten haben, sollten Sie sich angesichts der weitreichenden Folgen im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe, Entziehung der Fahrerlaubnis, Beschlagnahme des Fahrzeugs u.a.) anwaltlich beraten lassen. Bitte beachten Sie diesbezüglich auch die 14-tägige Einspruchsfrist im Strafbefehlsverfahren.

Welches Strafmaß erwartet mich, wenn ich an einem solchen Kraftfahrzeugrennen beteiligt war?

1. Im Grundtatbestand sieht § 315d StGB als Strafrahmen Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor. Darüber hinaus droht die Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69ff. StGB von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Bitte beachten Sie, dass das Kraftfahrzeugrennen ein Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist. Außerdem kann die Einziehung des beteiligten KFZs als Tatmittel gemäß § 74a StGB angeordnet werden.

Als nicht (einschlägig) vorbelasteter Ersttäter haben Sie bei Tatnachweis und einer entsprechenden Verurteilung mit einer Geldstrafe zu rechnen. Bei einem Ersttäter wird diese in aller Regel unter der Eintragungsgrenze für das Führungszeugnis, also 90 Tagessätzen, liegen.

2. Bei Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert durch das Kraftfahrzeugrennen kann die Freiheitsstrafe bei bis zu fünf Jahren liegen, bei fahrlässigem Handeln bei bis zu drei Jahren. Ein bedeutender Wert soll ab einem drohenden Sachschaden von EUR 750,- vorliegen.

3. Sollte jemand zu Tode gekommen sein oder eine schwere Gesundheitsschädigung erlitten haben, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren verhängt werden.

Welche Faktoren haben Einfluss auf das Strafmaß?

Das konkret zu erwartendem Strafmaß ist ohne Kenntnis der Ermittlungsakte schwer zu prognostizieren. Allerdings hängt die Strafe bei einer Verurteilung wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens von einer Vielzahl von Faktoren ab:

  • Gibt es einschlägige Vorstrafen? Solche sind beispielsweise Verkehrsdelikte wie Straßenverkehrsgefährdung, Trunkenheitsfahrten oder Nötigung im Straßenverkehr. Aber auch Verkehrsordnungswidrigkeiten wie Geschwindigkeitsüberschreitungen werden im Rahmen der Strafzumessung nachteilig berücksichtigt.
  • Gibt es ein Geständnis? Hierbei ist wichtig, dass man sein Geständnis auf keinen Fall bei der ersten Beschuldigtenvernehmung ohne Kenntnis der Ermittlungsakte abgeben werden sollte.
  • Wie ist das Nachtatverhalten des Beschuldigten oder späteren Angeklagten? Hat er an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme teilgenommen. Liegt eine Entschuldigung vor.
  • Bei Personen- oder Sachschäden ist die Bemühung, die entstandenen Schäden im Sinne eines Täter-Opfer-Ausgleichs zu regulieren (Schmerzensgeld, Bezahlung von Sachschäden)?

 Gibt es noch besonders wichtige Tipps zum Schluss?

Strafverteidiger-Tipp 1: Je früher Sie einen Anwalt hinzuziehen und je früher dieser die Möglichkeit hat, lenkend einzugreifen, desto besser sind in der Regel die Ergebnisse, die in Ihrem Ermittlungsverfahren bzw. in Ihrem Strafverfahren erreicht werden können.

Strafverteidiger-Tipp 2: Machen Sie unbedingt von Ihrem Schweigerecht Gebrauch! Es ist eines Ihrer wichtigsten Beschuldigtenrechte. Sie müssen sich nicht selbst belasten. Sie sollen keine Aussage zur Sache machen. Folgen Sie daher auch nicht der Ladung zur Beschuldigtenvernehmung, sondern kontaktieren Sie vorher einen auf das Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt.

Sprechen Sie bitte nicht mit der Polizei, reden Sie mit mir!

So geht´s weiter:

  • Sie kontaktieren mich unter 089/228433-55.
  • Sie erhalten einen Termin binnen 48 Stunden.
  • Wir besprechen Ihren Fall inklusive Chancenbewertung.
  • Nach Beauftragung durch Sie nehme ich Akteneinsicht.
  • Sobald die Akte vorliegt, planen wir gemeinsam unsere Strategie.