Bundesverfassungsgericht: Einzelrennen als verbotenes Kraftfahrzeugrennen verfassungsgemäß
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der Straftatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens, hier das in Literatur, Rechtsprechung und von Strafverteidigern vielfach kritisierte Einzelrennen, mit dem Grundgesetz vereinbar. Laut Bundesverfassungsgerichtsbeschluss vom 09. Februar 2022 2 BvL 1/20 genügt § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB insbesondere dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG und ist deshalb verfassungsgemäß.
Was versteht man grundsätzlich unter einem Einzelrennen?
Dafür müssen die Voraussetzungen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB parallel erfüllt sein:
- Sie müssen mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren sein sowie
- sich hierbei grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt und
- bezüglich des Erreichens der höchstmöglichen Geschwindigkeit vorsätzlich gehandelt haben.
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Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zugrunde?
Gegenstand der damaligen Anklageschrift war eine drei- bis vierminütige Polizeiflucht. Der damalige Angeschuldigte wollte sich nicht einer Verkehrskontrolle durch die Polizei unterziehen lassen. Er flüchtete teilweise innerhalb geschlossener Ortschaften mit Geschwindigkeiten zwischen 80 und 100 km/h. Während der Verfolgungsjagd überfuhr er mehrere rote Ampeln und kollidierte schließlich mit einem anderen Verkehrsteilnehmer. Gleichwohl setzte er auch nach dem Verkehrsunfall seine Fluchtfahrt fort. Zum Zeitpunkt der Polizeifluchtfahrt stand er unter Einfluss von Betäubungsmitteln und hatte darüber hinaus keine gültige Fahrerlaubnis.
Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen setzte auf Antrag des Strafverteidigers das Strafverfahren im Zwischenverfahren aus. Der dort zuständige Strafrichter legte dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG die Frage zur Entscheidung vor, ob die Variante des verbotenen Kraftfahrzeugrennens als Einzelrennen nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB dem Bestimmtheitsgebot genüge und mithin verfassungsgemäß sei.
Laut Bundesverfassungsgericht ergibt sich die Bestimmtheit der Norm aus der Gesetzesbegründung des verbotenen Kraftfahrzeugrennens.
Ausweislich Beschlusses des BVerfG genügt der Straftatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB dem Bestimmtheitsgebot. Die Begriffe „nicht angepasster Geschwindigkeit“ und „höchstmögliche Geschwindigkeit“ seien danach unter Heranziehung der Gesetzesbegründung auszulegen. Der Gesetzgeber habe diesbezüglich ausdrücklich auf die Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnisse hingewiesen. Bei etwaigen Auslegungsproblemen im Randbereich sei eine Präzisierung durch die Rechtsprechung innerhalb des Wortsinns angezeigt.
Dabei verweist der Bundesgerichtshof auf die bereits durch den BGH vorgenommene Auslegung des Straftatbestands. Danach soll nicht jede Fahrt mit überhöhter Geschwindigkeit den Straftatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens erfüllen. Beispielsweise sei das Erreichen höchstmöglicher Geschwindigkeit über eine lediglich kurze Wegstrecke hinsichtlich seiner abstrakten Gefahr nicht mit einem Kraftfahrzeugrennen vergleichbar. Folglich sei hierdurch kein verbotenes Kraftfahrzeugrennen verwirklicht.
Welche Maßstäbe hat der Bundesgerichtshof für die Polizeiflucht als verbotenes Kraftfahrzeugrennen als sog. Einzelrennen gem. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB entwickelt?
Nach Beschluss des BGH vom 29.04.2021 (Aktenzeichen: 4 StR 165/20) müssen bei einer Flucht vor der Polizei folgende Voraussetzungen durch den „Rennfahrer“ erfüllt sein, damit die Polizeiflucht zum verbotenen Kraftfahrzeugrennen wird:
- erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (eine lediglich leichte Geschwindigkeitsüberschreitung von bloß 10 oder 20 km/h reicht nicht),
- grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fortbewegung, z.B. Überfahren roter Lichtzeichenanlagen, Fahren in Fußgängerzonen, zahlreiche Spurwechsel, Bremsmanöver sowie Beinahekollisionen und die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hierdurch
- übrigens kann die massive Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit alleine (!) bereits als grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Fortbewegen gewertet werden
- die Absicht, über eine erhebliche Strecke die mögliche Höchstgeschwindigkeit zu erzielen, damit die Flucht gelingt.
Welche Tipps gibt´s vom Strafverteidiger zum Schluss?
Strafverteidiger-Tipp 1: Je früher Sie einen Anwalt hinzuziehen und je früher dieser die Möglichkeit hat, lenkend einzugreifen, desto besser sind in der Regel die Ergebnisse, die in Ihrem Ermittlungsverfahren bzw. in Ihrem Strafverfahren erreicht werden können.
Strafverteidiger-Tipp 2: Machen Sie unbedingt von Ihrem Schweigerecht Gebrauch! Es ist eines Ihrer wichtigsten Beschuldigtenrechte. Sie müssen sich nicht selbst belasten. Sie sollen keine Aussage zur Sache machen. Folgen Sie daher auch nicht der Ladung zur Beschuldigtenvernehmung, sondern kontaktieren Sie vorher einen auf das Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt.
Sprechen Sie bitte nicht mit der Polizei, reden Sie mit mir!
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